Manchmal muß man loslassen

Nächsten Monat ist es zwanzig Jahre her, daß ich mein Informatikstudium begonnen hatte. Übriggeblieben außer ein paar Bescheinigungen, einer gedruckten Studien- und Diplomarbeit sowie dem Diplomzeugnis waren aber immer noch ein paar Aktenordner mit Skripten, Übungsblättern, Mitschrieben und so.

In den letzten Jahren bin ich mehrfach umgezogen, und natürlich habe ich jedes Mal ausgemistet. Jedes Mal habe ich auch Studienkram entsorgt. Aber von ein paar Skripten wollte ich mich nie trennen.

Heute war es dann soweit: die letzten Skripten und Mitschriebe sind in der Papiertonne gelandet.

Allerdings habe ich diese Schätzchen vorher nochmal eingescannt. Also abfotografiert mit Handy und Microsoft Lens. Alles nicht perfekt, aber zum Archivieren reicht es. Schließlich habe ich mich nie durchringen können, mir eine Austattung wie manch anderer hinzustellen.

Und Schätze waren es fürwahr!

Besonders hing ich an dem Skript zu Syntax (und den Proseminaren Syntax I und II) aus meinem Nebenfach – Computerlinguistik.

Deutsche Grammatik verstehen. In einem Seminar eine gute halbe Stunde nur über die Phrase „jedes dritte Eis“ diskutieren. C-Strukturen und F-Strukturen zeichnen. Damals sagte mir „↑PCASE = ↑( ↓PCASE)“ noch etwas. Irgendwann lese ich das nochmal nach. Immerhin weiß ich noch, daß die Pfeile „ups“ und „downs“ ausgesprochen wurden.

Jedenfalls war das Nebenfach kuschelig, weil klein. Es hatte eine interessante Besetzung auch in der Studentenschaft, denn etwa die Hälfte der Studenten war eher Typ geisteswissenschaftlicher Öko, die andere Hälfte aber eher Informatik-Nerds.

Und wir hatten Syntax in einem winzigen Hörsaal mit knarzender Tafel in einem alten Gebäude der Hohen Karlsschule mit toller Fassade.

Und dann in Informatik selbst die drei Vorlesungen aus der Vertiefungslinie Programmiersprachen und Compilerbau: „Programmanalysen und Compilerbau“, „Real-Time-Programming“ und „Konzepte von Programmiersprachen“. Ich habe schlicht jede Vorlesung besucht, die Professor Plödereder angeboten hat.

Ich weiß nicht, warum ich nach dem Studium nicht mehr in diese Richtung gegangen bin, das war alles sehr spannend.

Und eine nette Anekdote gibt es auch: in einer der drei Vorlesungen hatte ich also mündliche Prüfung. Anwesend außer mir: der Professor und ein wissenschaftlicher Mitarbeiter als Beisitzer. Professor Plödereders Prüfungen kannte ich zu dem Zeitpunkt schon: für eine sehr gute Note reichte es nicht, das Skriptum herbeten zu können. Wenn er sah, daß man den Stoff drauf hat, kamen die eigentlichen Fragen. Transferaufgaben, Verknüpfungen zu benachbarten Themen und so. Damit kam ich gut klar.

Nur in dieser Prüfung zur Vorlesung X lief es nicht so richtig gut (eine der drei Vorlesungen oben, ich weiß nicht mehr welche) . Sicher, irgendwie konnte ich auf alles antworten, aber meine Güte hatte der Professor da einen heftigen Tag. Nichts davon hätte ich als off-topic zurückweisen können, alles was er fragte war zwar irgendwie drangewesen, aber nur sehr leicht gestreift. In einer Fußnote angesprochen, ohne es zu vertiefen. Freundlich ausgedrückt.

Irgendwann war die Prüfung vorüber und ich wurde vor die Tür gebeten. Drinnen diskutierten nun Professor und Beisitzer über die Note. Wenige Minuten später durfte ich wieder eintreten.

Und der Professor begann: Es tue ihm wirklich sehr leid. Sein Beisitzer habe ihm gerade gesagt, ich habe die Prüfung X angemeldet, er habe aber gedacht, er prüfe gerade zur Vorlesung Y. Aber dafür habe ich mich ja ganz gut geschlagen, Y habe ich sicherlich auch besucht.

Auf meine Antwort, daß ich die Vorlesung Y erst im darauffolgenden Semester hören würde, war er beeindruckt. Und die Note war auch entsprechend.