Commitment und Konsistenz

Die Wahrscheinlichkeit, daß Menschen einer Bitte nachkommen, ist höher, wenn sie zuvor bereits einer unwesentlichen Bitte nachgekommen sind. Dies gilt sogar dann, wenn die beiden Bitten nur entfernt miteinander zu tun haben. Wenn Sie also jemanden dazu bringen möchten, etwas zu tun, lohnt es sich, mit einer kleinen Bitte anzufangen, die Ihnen vermutlich nicht abgeschlagen werden wird.

Eine sehr interessante Anekdote handelt von amerikanischen Kriegsgefangenen in einem chinesischen Lager in Korea. Die Chinesen hielten regelmĂ€ĂŸige Essay-Schreibwettbewerbe fĂŒr die amerikanischen Gefangenen ab. Und sie waren clever genug, ab und an auch Pro-Amerika-Essays zu prĂ€mieren, denn auf diese Art hatten die Gefangenen nicht das GefĂŒhl, ihr Land verraten zu mĂŒssen. Sie schrieben also positiv ĂŒber ihre Heimat, aber streuten hier und da ein paar warme Worte fĂŒrs chinesische System ein, um ihre Chance auf den Preis zu erhöhen. Damit ebneten die Chinesen den Weg fĂŒr substantiellere schriftliche ZugestĂ€ndnisse der Gefangenen spĂ€ter.

Ein weiterer Aspekt war, daß die Preise klein waren, hier ein StĂŒck Obst, da ein paar Zigaretten. Die Autoren mußten zu dem stehen, was sie schrieben, niemand konnte ernsthaft glauben, sie hĂ€tten es nur fĂŒr den großen Preis getan.

Wenn Menschen zu dem stehen, was sie selbst geschrieben haben, identifizieren sie sich damit und es fĂ€llt ihnen schwer, ihren Standpunkt spĂ€ter zu Ă€ndern. Das kann auch in weniger dramatischen UmstĂ€nden praktisch sein: ein VerkĂ€ufer, der den KĂ€ufer den Vertrag ausfĂŒllen lĂ€ĂŸt, sieht spĂ€ter weniger Stornierungen. Menschen fĂŒhlen sich an einen Vertrag mehr gebunden, wenn sie einen Teil davon eigenhĂ€ndig geschrieben haben.

Dasselbe gilt fĂŒr Empfehlungen, die viele Unternehmen prominent in der Werbung einsetzen. ZunĂ€chst mag es seltsam erscheinen, daß gewöhnliche Kunden (keine Prominenten) relevante Belohnungen fĂŒr solche Empfehlungen erhalten, doch diese Empfehlungen zementieren die Produktwahrnehmung des Kunden und seine Haltung zum Produkt, und haben dadurch ĂŒber reine Werbung hinaus eine Wirkung.

Es gibt VorschlĂ€ge, Jurys im amerikanischen Rechtssystem auf geheime, schriftliche Abstimmungen zu beschrĂ€nken, weil sich auf diese Art kein Geschworener an sein vorheriges Abstimmungsverhalten gebunden fĂŒhlt. Seine Meinung zu Ă€ndern, fĂ€llt leichter, wenn die MeinungsĂ€nderung nicht offen sichtbar ist. Auf diese Art könnten einige „hung juries“ und damit geplatzte Prozesse vermieden werden.

Kann man diesem psychologischen BedĂŒrfnis nach Konsistenz widerstehen? NatĂŒrlich fĂ€llt dies leichter, wenn man sich dieses Effekts bewußt ist. Dennoch bleibt es schwierig, das Streben nach Konsistenz kann nur durch den rationalen Geist ĂŒberwunden werden, man kann ihn nicht einfach so ausschalten.

Sollte man dem BedĂŒrfnis nach Konsistenz widerstehen? In den meisten FĂ€llen nein. Es ist eine positive Eigenschaft, in den meisten FĂ€llen zu seinen Überzeugungen zu stehen (ganz gleich, was die populĂ€re “weak convictions, loosely held”-Strategie sagt). Es gibt grob zwei Kategorien, in denen man besser nicht konsistent bleibt. Erstens, wenn das BauchgefĂŒhl einem sagt, daß man in der Falle sitzt. Man möchte etwas eigentlich nicht tun, aber spĂŒrt eine Verpflichtung. Und zweitens, wenn man in Anbetracht dessen, was man jetzt weiß, nicht noch einmal dieselbe Entscheidung treffen wĂŒrde. In diesen FĂ€llen ist es wohl besser, die Konsistenz zu durchbrechen.